Der Abend des Dirigenten

 

"Tristan und Isolde" von Richard Wagner

Vorstellung vom 9. Mai 2004 in der Wiener Staatsoper

 

Wenn Christian Thielemann dirigiert, gehört der Abend dem Dirigenten. Denn niemand der Protagonisten kann ähnlich großen Erfolg einheimsen wie er, und das wohl zu Recht. Was Thielemann aus dem Orchester zaubert, ist ästhetischer Wohlklang und emotionale Spannung. Er ist nach langen Jahren ein Dirigent, der wie seinerzeit Böhm, Karajan und Kleiber den Abend vom Dirigentenpult aus zum höchsten Ereignis führt.

Da zwischenzeitlich hässlichere Inszenierungen vonstatten gingen, gewöhnt man sich allmählich an das kalte Bühnenbild dieses "Tristan". Man muss immer bedenken, dass es noch schlimmer hätte kommen können. Auch die unsinnigen Regievorgaben verwässern sich mit Zunahme der Zeit und das macht das Ganze immerhin erträglich.

Mit Thomas Moser hat man einen verlässlichen Tristan. Spitzentöne werden allerdings lyrisch gesungen, daher geht der vorgesehene Effekt verloren. Auch daran ist man mittlerweile gewöhnt.

Luana DeVol kann mit etwa 2 kg weniger an Körpergewicht als das der Vorgängerin punkten und singt als Einspringerin eine durchaus passable Isolde.

Mihoko Fujimura gab die beeindruckendste Leistung des Sängerensembles. Von Mal zu Mal gewinnt die Stimme an Volumen, ihre Ausstrahlung an Persönlichkeit. Die diffizilen Brangänen-Rufe bewältigt sie mit dem runden, satten Klang ihrer Stimme und der tragfähigen Höhe souverän. Von ihr hörte ich gerne eine Isolde!

Es war der Abend des Dirigenten, aber auch des Orchesters. Denn dieses führte Thielemann zur Höchstform. Diesmal gab es kaum Trübungen durch Misstöne irgendwelcher Art. Traumhaft sicher und gefühlvoll Martin Gabriel, 1. Oboe, ihm ebenbürtig Peter Schmidl, 1. Klarinette, ebenso Andreas Wieser, Bassklarinette, sowie Alexander Öhlberger, Englischhorn. Auch die Blechbläser intonierten fehlerfrei. Konzertmeister Rainer Küchl bewegte tief mit dem Klang seiner Violinsoli. Allesamt waren sie herrlich.

Was für ein traumhaftes Orchester wir doch haben, blieb niemand verborgen, denn dieses sowie der Dirigent ernteten Ovationen. Ja, wenn es doch immer so spielte...

10. Mai 2004

Eleonore Moser