Festspielen nicht würdig
"Tristan und Isolde" von Richard Wagner
Premiere an der Bayerischen Staatsoper, Nationaltheater,
im Rahmen der Münchener Opernfestspiele, am 27. Juli 2011
Regisseur Peter Konwitschny wurde mit dieser Neuproduktion von "Tristan und Isolde" betraut. Zunächst erscheint das modern anmutende helle Bühnenbild (Johannes Leiacker) gefällig. Auch im zweiten Akt ist die Szene durch spezielle Beleuchtungsakzente logisch und ästhetisch gestaltet. Nur das Bühnenbild des dritten Aktes ist einfallslos und zeigt das graue Innere eines spartanischen Hauses, welches durch unnötige Filmprojektionen aufgelockert wird. Mit der Szene könnte man sich insgesamt durchaus anfreunden, was man von der Regie gewiss nicht sagen kann. Wenn Tristan im zweiten Akt mit dem Fuß eine IKEA-Sitzbank auf die Bühne schiebt, bevor er darauf mit Isolde Platz nimmt, dann gleicht dies einer Persiflage der Oper. Dies bewirkt den Bruch der Erhabenheit des Werkes, was keinem Wagnerianer zuzumuten ist. Überhaupt scheint der Regisseur stets sagen zu wollen: Nehmt das Ganze nicht zu ernst und nicht zu wichtig! Es sollte jedoch nicht Zweck einer Aufführung sein, die Oper infragezustellen.
Den größten Erfolg des Abends konnte völlig zu Recht René Pape als Marke verbuchen. Er ist ein König mit enormem Stimmvolumen, das weder hohe noch tiefe Töne zu scheuen braucht, der Wohlklang verströmt und tiefes Mitleid erzeugt. Man kann Isolde in dieser Aufführung nicht verstehen, dass sie sich für Tristan statt für Marke entscheidet und schreibt dies wirklich nur dem Liebestrank zu.
Eine wundervolle, innige und glaubhafte Isolde verkörpert Nina Stemme in dieser Partie. Sie wirkt jugendlich, leidenschaftlich und verletzlich zugleich. Sicher führt sie ihren warm klingenden Sopran über alle schwierigen Klippen hinweg. Ihre jubelnde Höhe verursacht inneren Jubel bei der Zuhörerin. Endlich wieder eine Isolde, die voll überzeugen kann.
Auch Ekaterina Gubanova als Brangäne verströmt mit ihrem Mezzosopran edle Klänge. Ihre Brangänenrufe sind eindringlich fordernd und warmherzig zugleich. Gubanova ist eine tolle Entdeckung in dieser Partie.
Die Damen retten die Aufführung also, denn von den Herren ist mit Ausnahme von René Pape wenig Positives zu berichten.
Ben Heppner als Tristan scheint in jeder Sekunde damit beschäftigt zu sein, zu zeigen, wie man als Herr Kammersänger die Partie mit möglichst wenig Einsatz über die Runden bekommt. Schon sein behäbiges Äußeres, mit entsprechendem Wanst versehen, macht es schwer, auch nur annähernd einen verliebten Mann darzustellen. Seine tenorale Mittellage wackelt ständig, seine Höhe kommt nur mit Pressen zustande; das Ganze ist leider ein Trauerspiel, ganz abgesehen von der Dramatik des Inhaltes. Ben Heppner muss man nahelegen, endlich seine Karriere zu beenden, weil er für die Zuseherin und -hörerin tatsächlich eine Zumutung darstellt.
Auch Alan Held als Kurwenal zeigt mit seinem Bariton wiederholt Unsicherheiten und Schwächen in der Stimmführung.
Die musikalische Leitung obliegt dem Generalmusikdirektor Kent Nagano. Dieser ist nicht in der Lage, Spannung und Dramatik musikalisch aufzubereiten und dirigiert mit wenig Intensität. Da klingt vieles völlig ungenau, verschwommen und keine Solo-Orchesterstimme wird liebevoll herausgearbeitet. Die Solisten haben allerdings wenig Qualität, denn überall, wo sie dann doch hörbar werden, ist nichts Erfreuliches zu vernehmen. Ungenaue Intonationen sind gang und gäbe, grässlich klingende Trompetenklänge der Bühnenmusik sind Usus.
Große Ovationen am Schluss für René Pape, Erfolg auch für Nina Stemme und Ekaterina Gubanova, freundlicher Beifall für Nagano und das Orchester. Für Peter Konwitschny gibt es einige kräftige Buhrufe. Glück für ihn, die Aufführung in München produziert zu haben. In Wien hätte man ihn mit einem Buhorkan hinweggefegt.
28. Juli 2011
Eleonore Moser