Neuinszenierung von Tosca von Giacomo Puccini 

im Theater an der Wien am 18. Januar 2022:

 

Regisseur Martin Kusej bezeichnet das als „Dekonstruieren", was soviel wie Zerstören bedeutet.

Man ist schon Schrecklicheres gewohnt, ich denke da an Parsifal in der Wiener Staatsoper von Srebrennikow, was für mich wirklich der Gipfel von Zerstörung einer Oper ist.

Ganz so schlimm ist es bei Tosca in der Regie von Kusej nicht, denn es gibt immerhin einige Pluspunkte:

Er verzichtet auf die seit einigen Jahren obligaten Videoeinspielungen.
Er zeigt eine kluge Personenführung. 
Er nimmt schöne Sänger, die in jeder Situation glaubhaft sind.
Er zeichnet die Figur von Scarpia nicht nur unsympathisch, sondern als durchaus sexy zu bezeichnenden Mann.

Störend ist (wie in fast allen Inszenierungen der jetzigen Zeit), dass Text und Szene oft nicht zueinander passen. Wenn im ersten Akt ständig von der Kirche gesungen wird, ist es schwer nachzuvollziehen, weshalb man sich jetzt auf einer freien schneebedeckten Landschaft, mit kahlem Baum in der Mitte, befindet. Ein Holzmarterl auf den Baum geschlagen, soll als Vertretung der Kirche gemeint sein.

Jonathan Tetelman ist wohl seit Franco Corelli (den ich leider nie persönlich auf der Bühne erleben durfte) der schönste Cavaradossi ever. Auch sein Tenor hat Strahlkraft, nur das zeitweilige Vibrato zeugt von etwas Unsicherheit.

Gabor Bretz ist ein wirklich überzeugender Scarpia mit gut geführtem Bariton.

Obwohl Kristine Opolais zwar mindestens so schön wie die bekanntesten Hollywood-Stars ist und auch eine gute darstellerische Performance gibt, überzeugt sie nicht ganz, denn ihr Sopran zeigt Schwächen in der Höhe und es fehlt das gerade in dieser Partie so wichtige Piano.

Am Schluss gibt es einige Buhs für Opolais, den stärksten und enthusiastischesten Applaus für Tetelman, viel Zustimmung für Bretz, einen erwarteten ziemlichen Buh-Orkan für Kusej.

Dennoch, eine Vorstellung, die man sich ansehen kann. Ich bin allerdings froh, dass diese Inszenierung „nur“ im Theater an der Wien zu sehen ist und nicht in der Staatsoper unsere Wallmann-Inszenierung ersetzt. Letztlich freue ich mich doch auf den Februar, wenn ich die Tosca dort in der Form wieder sehen kann, wie sie von Puccini und den Librettisten Giacosa und Illica geschrieben wurde. 

 

Eleonore Moser
19.1.2022