Ein etwas zäher Abgang

„Tartuffe“
von Jean-Baptiste Molière

Aufführung im Akademietheater Wien vom 29. Mai 2013

 

Die namhafte Besetzung ist ein Lockmittel, um diese Komödie einem großen Publikum zu Gemüte zu führen. Das einfache, in weiß-grau gehaltene Bühnenbild (Richard Peduzzi) verheißt zuerst einmal, dass es sich hier um keine Komödie aus dem Jahre 1664 handelt. Es gibt Requisiten aus der neueren Zeit wie Haustelefon und Tonbandgerät; aufgrund der gezeigten Mode spielt  es etwa um die 1960er Jahre. Es gesellen sich vier Christuskreuze und ein Heiliger Antonius zum Interieur, wovor sich Orgon oft niederlässt, um zu beten, wobei das Publikum stets in schallendes Gelächter ausbricht.

Luc Bondy hat den Inhalt neu übersetzt und Striche vorgenommen – es hätten derer mehr sein können, obwohl die Dauer von zwei Stunden ohnedies schon ein kurzes Stück ergeben. Doch gibt es Längen, wie den Streit zwischen der Tochter Orgons (Adina Vetter) mit ihrem bereits versprochenen Valère (Peter Miklusz).  Aufgrund dieser banalen Auseinandersetzung ist eine harmonische Partnerschaft ohnedies nicht zu erwarten, also könnte sie gewiss auch gleich Tartuffe heiraten, mit dem sie sich keine glückliche Ehe vorstellen kann.

Dabei ist doch gerade Tartuffe der einzig wirklich erotisch interessante Mann auf der Bühne, die anderen sind entweder zu alt oder zu unattraktiv. Keinen Moment glaubhaft ist, dass die junge Elmire (nobel Johanna Wokalek) den Verführungsanwandlungen des Tartuffe (Joachim Meyerhoff) widerstehen kann, obwohl sie doch einen Ehemann an ihrer Seite hat, der sich bereits dem Greisenalter nähert (Gerd Voss). Es bleibt verschwiegen, weshalb Orgon diesem Tartuffe so sehr verfällt. Des Rätsels Lösung ist der Zuschauerin anheimgestellt und diese deutet eine homophile Neigung des Orgon zu dem physisch anziehenden Tartuffe.

Edith Clever als Dorine gibt eine intellektuelle Haushälterin. Gertraud Jesserer ist als Mutter von Orgon viel zu jung besetzt. Findet sich heutzutage keine wirklich passende, alte Schauspielerin mehr?

Das Stück sollte dem Publikum den Spiegel vorhalten, doch es ist viel zu oft völlig unrealistisch, um ernst genommen zu werden. Wenn ein Mann sich so sehr in die Abhängigkeit eines Scheinheiligen begibt, dann lehnte er wohl jeden Versuch ab, ihm die Unehrlichkeit des Hinterfotzigen mit drastischen Mittel vor Augen zu führen.

Es ist Luc Bondys letzter Regiewurf als Chef der Wiener Festwochen. Leider wurde daraus ein etwas zäher Abgang.


30. Mai 2013
Eleonore Moser