Der Vergleich macht sicher

Schwanensee von Peter I. Tschaikovsky

am 26. Oktober 2009 in der Wiener Staatsoper

Eine Vorstellung besonderer Art hat sich die Ballettdirektion ausgedacht. An diesem Tag tanzte in jedem Akt ein anderer Siegfried und eine andere Odette/Odile. Das bedeutet, Vergleiche anzustellen.

Prinz Siegfried wurde im 1. Akt von Denys Cherevychko getanzt. Dieser ist jung und nett, aber hinterlässt kaum einen bleibenden Eindruck. Darauf im 2. Akt der Höhepunkt in Gestalt von Vladimir Malakhov, der bewies, dass er wohl immer noch unschlagbar ist. Malakhov hat die wundervolleste, ideale Figur eines Balletttänzers und eine unnachahmlich noble Ausstrahlung. Jede Bewegung seiner Arme und seiner Beine bedeutet ein Feuerwerk an Ästhetik. Seine Technik ist perfekt, sein feinnerviges Spiel beeindruckt in jeder Phase. Er ist das Wunder eines Tänzers, dem nur eines fehlt: Ein Schuss von Dämonie, welcher Rudolf Nurejew seinerzeit als unverwechselbaren Tänzer erscheinen ließ.

Im 3. Akt tanzte Vladimir Shishov den Siegfried, groß und breitschultrig, das Gesicht eher unbeteiligt. Er bewältigte die schwierigen Tanznummern, bleibt trotzdem keine Empfehlung für weitere Vorstellungen, denn insgesamt ist er konturlos.

Andrian Fadeyev tanzte im 4. Akt den Siegfried. Er vermittelt am ehesten den Bezug zu Malakhov, denn seine Bewegungen sind edel, seine Technik schon ziemlich ausgereift. Es fehlt ihm noch an Persönlichkeit, aber diese kann der junge Tänzer noch erwerben.

Als Odette im 2. Akt brillierte Polina Semionova. Diese großartige Tänzerin erinnert mich in Perfektion und Attraktivität an Margot Fonteyn. Semionova war gewiss der Star des Abends, denn keine andere reichte an sie heran.

Odile im 3. Akt, verkörpert von Olga Esina: Auch sie hat eine gute Technik, aber zu wenig Ausstrahlung. Trotzdem eine passable Leistung.

Maria Yakovleva im 4. Akt als Odette zeigte Verwundbarkeit, ist zart und hat wunderbare Beinbewegungen.

Als Zauberer Rotbart machte Wolfgang Grascher gute Figur. Das Corps de Ballett war nicht immer homogen, aber redlich bemüht.

Guillermo Garcia Calvo dirigierte das hochrangig besetzte Orchester solide.

Ein großartiger, beeindruckender Nachmittag, der Hoffnung aufkommen lässt, dass Vladimir Malakhov doch wieder eine ganze Vorstellung hindurch den Siegfried tanzen wird.

26. Oktober 2009
Eleonore Moser