Wann hat man das letzte Mal erlebt, dass eine
vormals oft inszenierte und allseits bekannte Oper in einer neuerlichen
Premiere ohne jegliche Missfallenskundgebungen für die Regie vonstatten geht?
Dieses „Wunder“ geschah nun in Salzburg. Es ist Harry Kupfer zu danken,
der endlich wieder mit einer verantwortungsvollen Regiearbeit betraut wurde. So
viel an Einfühlungsvermögen in die jeweils zu gestaltende Bühnenfigur erlebt
man heutzutage wirklich selten, wie es Harry Kupfer zustande bringt. Da sitzt
jeder Schritt, jede Geste, jede Gesichtsregung genau richtig. Doch nicht nur
die exzellente Personenführung überzeugt, sondern auch die ästhetisch
anmutenden Bühnenbilder von Hans Schavernoch sind eine Wohltat für den
visuellen Sinn. Der breite Hintergrund der Bühne wird mit effektvollen Bildprojektionen
aus der Zeit kurz vor dem 1. Weltkrieg gestaltet. Dazu die Kostüme von Yan
Tax, die zur damaligen Zeit passen und niemals kitschig wirken.
Günther Groissböck
gibt einen Ochs von Lerchenau, dem man abnimmt, dass er bei der Jugend
eventuell noch Gefallen finden könnte. Er verkörpert einen lebhaften,
stürmischen, relativ schlanken, nicht wirklich unsympathischen Ochs. Seine
Bassstimme hat eine wohlklingende Mittellage und wenig markante Tiefe, dennoch
ist er ein Glücksfall in dieser Partie.
Ein kurioser Einfall von Harry Kupfer ist es,
aus der Partie des Sängers eine Parodie auf Luciano Pavarotti zu machen.
Stefan Pop hat die Korpulenz, das Gesicht und das Tuch des Pavarotti und
fast seinen Tenor.
Als Marschallin bewegt Krassimira Stoyanova
mit ihrer edlen Erscheinung. Sie ist eine starke Bühnenpersönlichkeit und weiß
dies auch. Ihr Sopran bewältigt jegliche heiklen Stellen ohne Schwierigkeit.
Sophie Koch als
Octavian muss man einfach lieben. Sie ist höchst attraktiv und hat einen
wunderbaren Mezzosopran, den sie spielerisch einsetzen kann. Koch vermittelt
das Gefühl, dass sich tatsächlich dort oben auf der Bühne ein 17-jähriger
schöner Jüngling bewegt. Besonders an der Ausgestaltung ihrer Rolle hat Harr
Kupfer ganze Arbeit geleistet. Einfach fabelhaft!
Mojca Erdmann als
Sophie ist liebreizend und glaubhaft in dieser Partie, jedoch ihr Sopran hat es
in hohen Lagen nicht immer leicht, makellos zu bleiben. Dennoch ist auch sie
eine gute Besetzung und man freut sich, wenn die beiden sympathischen jungen
Menschen in dem Stück endlich ganz zueinander finden.
Es scheint, als würde man den „Rosenkavalier“
das erste Mal hören, wenn die herrlichen Passagen von Franz Welser-Möst
dirigiert werden. So viel an Leichtigkeit, so viel an wienerischem Schwung und
dennoch Noblesse wird hier hörbar. Jedes Soloinstrument gewinnt durch sein
Dirigat an Präzision, was mit Konzertmeister Volkhard Steude speziell in
seinen Soli zum Ausdruck kommt. Aber auch Cellist Robert Nagy,
Oboist Martin Gabriel, Klarinettist Daniel Ottensamer beweisen
höchstes künstlerisches Können.
Auch der vorzüglich von Ernst Raffelsberger
und Wolfgang Götz einstudierte Chor soll erwähnt werden sowie die übrigen
Gesangsprotagonisten.
Das Publikum bejubelt einhellig die Sänger,
vor allem Groissböck und Stoyanova, sowie Welser-Möst und die Philharmoniker,
aber auch das Regieteam.
Ein Abend, der nicht nur glücklich macht,
sondern abheben lässt. Ein Abend, der die Zeit vergessen macht.
2. August 2014
Eleonore Moser