Mehr als ein Ersatz

I puritani
von Vincenzo Bellini

Vorstellung in der Wiener Staatsoper vom 19. April 2010

Anna Netrebko wusste vermutlich nur allzu gut, weshalb sie die Partie der Elvira nicht sang. Sie hätte aufgrund ihrer seit der Schwangerschaft wesentlich schwerer gewordenen Stimme diese Koloraturen und extremen Höhen nicht mehr ohne Komplikationen geschafft. Für sie sprang Désirée Rancatore ein und diese erwies sich als mehr als ein Ersatz. Rancatore ist eine wunderschöne junge Frau, die mit Schwindel erregender Leichtigkeit alle Schwierigkeiten dieser Partie bewältigt. Ein herrliches Legato, eine traumhafte und sichere extreme Höhe, eine gute Schauspielerin - das alles bietet diese Sängerin, von der man eine große Karriere erwarten kann.

Ihr zur Seite als Arturo Talbo José Bros , ein tenore leggero, wobei die Betonung vor allem auf leggero liegt. Er ließ sich in der Pause als gesundheitlich indisponiert melden, was ihn davor bewahrt, beurteilt zu werden.

Einen technisch perfekten und wohlklingenden Bariton zeigte Mariusz Kwiecien als Riccardo. Er konnte mit seiner überzeugenden Leistung und seinem angenehmen Äußeren den Jubel des Publikums für sich gewinnen. Kwiecien ist ein Sänger, den man sich hier möglichst oft als Gast wünscht.

Der Bariton Christof Fischesser als Sir Giorgio bemühte sich redlich, leistungsmäßig gegen seinen Kontrahenten nicht allzu sehr abzufallen.

Die Inszenierung ist wohltuend konservativ. Man kann es heutzutage nicht hoch genug einschätzen, wenn man von Neudeutungen verschiedenster Art verschont bleibt.

Jan Latham-König dirigierte routiniert das Orchester, welches sich keine Blößen gab.

Die Enttäuschung über die Absage von Anna Netrebko war rasch verflogen, als man Frau Rancatore hörte. Es wäre ihr eine ähnlich kometenhafte Karriere zu wünschen, wie sie Frau Netrebko erfährt.

20. April 2010
Eleonore Moser