Misstrauen gegen Musik

"Parsifal" von Richard Wagner

Premiere in der Wiener Staatsoper am 8. April 2004

 

Christine Mielitz ist eine gute Erzählerin und wenn man Gelegenheit hatte, sie in Radio und TV über "Parsifal" sprechen zu hören, so war das immer ein Vergnügen. Doch wenn sie ihr all umfassendes Wissen in die Szene umsetzt, dann ist es vorbei mit der Spannung, die sie sonst zu vermitteln vermag.

So wurde die Neuinszenierung des Parsifal zu keinem Ereignis und war nicht die Aufregung wert, die sie am Ende der Vorstellung auslöste. Denn man kann die Regie weder als konservativ noch als progressiv/modern bezeichnen, sie bleibt bestenfalls bloß mittelmäßig.

Es ist immerhin Thomas Quasthoff als Amfortas zu danken, dass Höhepunkte nicht ausblieben, denn Gesangsqualität und Darstellung sind bewegend, nicht nur aufgrund seiner körperlichen Beeinträchtigung. Der kleine König mit der großen Krone und dazu die hoch emotionsgeladene Musik, sind jedoch besonders im 3. Akt hart an der Grenze des spekulativ Voyeuristischen und somit Erlaubten.

Robert Holl als Gurnemanz ist wortdeutlich, doch bleibt er zu sehr der Liederinterpret und also ein wenig langweilig. Sowohl Holl als auch Quasthoff sind die Anstrengungen der sonst nicht Operngeübten, das Orchester zu übertönen, deutlich anzumerken.

Wenn auch seine Erscheinung manchmal Grund zu unfreiwilliger Komik gibt, so muss man letztlich Johan Botha als Parsifal seinen körperlichen Umfang nachsehen; seine Stimme ist doch phänomenal. Diese unglaubliche Sicherheit, dieses Metall in der Höhe, hat man lange nicht vernommen.

Angela Denoke als Kundry hat nicht nur einen schönen Busen, sondern auch eine wunderbare Stimme, wenngleich ihr in dieser Partie das gewisse Geheimnis fehlt.

Die Inszenierung von Mielitz ist von einem Misstrauen gegen die Musik geprägt. Die Regisseurin ist blitzgescheit und weiß viel. Sie sieht es als Pflicht, alles zu deuten, zu symbolisieren und sie denkt, dem Publikum schuldig zu sein, es durch Erklärungen und Geschäftigkeit in Spannung zu halten... Doch wäre ein Weniger oft mehr. Das Geschehen im 1. Akt erinnert sogar manchmal an Kasperltheater.

Die Kostüme sind extrem hässlich; von einzelnen gelungenen Lichteffekten abgesehen, ist auch das Bühnenbild als ästhetisch unergiebig zu bezeichnen.

Positiv hervorzuheben ist der Chor, welcher unter der Leitung von Ernst Dunshirn eindeutig Bayreuth-Qualität erreicht hat.

Donald Runnicles gibt sein Bestes und doch wird daraus nichts Außergewöhnliches. Das Orchester schließt sich dem an und 1. Klarinettist Norbert Täubl sowie 1. Oboist Martin Gabriel geben gute Leistungen.

Mielitz sagte, wenn das Publikum eine Inszenierung nicht annimmt, ist das ein Zeichen, dass man ihm etwas genommen, jedoch nichts Adäquates zurückgegeben hat. Dies trifft auf diese Inszenierung in jedem Falle zu.

9. April 2004

Eleonore Moser