Ziemlich enttäuschend

"Otello" von Giuseppe Verdi

Premiere an der Bayerischen Staatsoper, München

am 23. November 2018

 

Die Regisseurinnen und Regisseure fühlen sich heutzutage vom Feuilleton und der Kritik gedrängt, alles anders zu machen als im Libretto und in der Musik verankert ist. So besagt es in dieser Inszenierung von Amélie Niermeyer, dass Otello kein glorreicher Feldherr, sondern von Anfang an ein gebrochener, unsicherer Schwächling ist.

 

Das kommt vielleicht Jonas Kaufmann entgegen, der die erforderlichen Töne nur mühsam hervorbringt und sich auf die Regie ausreden darf. Seine Tenorstimme ist für diese Oper ganz und gar nicht geeignet. Dazu gesellt sich, dass man ihn in dieser Inszenierung seines dunklen Wuschelkopfes beraubte und ihn mit kurzgeschorenem, glatten Haar auf die Bühne stellt. Das sollte wohl Ausgleich dazu sein, dass man heutzutage keinen Weißen mehr schwarz bemalen darf, um auf diese Weise einen gewissen "Nachteil" gegenüber der weißen Gesellschaft zu dokumentieren. Samson wurde durch das Abschneiden seiner Haare der Kräfte beraubt, Jonas Kaufmann wurde durch den Verlust seiner Haarpracht seiner erotischen Ausstrahlung beraubt, denn nun bleibt ein schmales Köpfchen mit nicht zu übersehendem Bauch und ohne durchschlagskräftiger Stimme übrig!

 

Dagegen ist Anja Harteros als Desdemona eine Augenweide und ihr Sopran sowieso das Beste, denn die Leuchtkraft und Sicherheit ihrer Höhe, die Wärme ihrer Mittellage, die Rundheit ihrer Tiefe, sind kaum zu übertreffende Attribute.

 

Der Bariton Gerald Finley ist als hervorragender Liedsänger bekannt, mit einem Jago jedoch schwer in Einklang zu bringen. Da ist zwar eine geschmeidige, wohlklingende Mittellage, aber nur geringe Substanz in der Tiefe und wenig Eindruckvolles in der Höhe zu vernehmen.

 

Als Cassio überzeugt Evan LeRoy Johnson mit hellem, durchschlagskräftigen Tenor. Von ihm kann man sich in der Zukunft noch weitere gute Partien erwarten. Mit schönem Mezzosopran überzeugt auch Rachael Wilson als Emilia.

 

Kirill Petrenko dirigiert das Bayerische Staatsorchester laut und plakativ. Das Publikum ist von ihm begeistert, mich konnte er nicht überzeugen. Ich empfinde ihn als überbewertet.

 

Das Regieteam empfängt am Schluss höflicher Applaus, ohne einen einzigen Buhruf, was mich erstaunte.

 

Die größte Zustimmung des Publikums erfuhr Anja Harteros, danach folgte Gerald Finley und mit Abstand Jonas Kaufmann. (Wer hätte das je gedacht?)

 

Mich ließ die Aufführung ziemlich kalt.

 

25. November 2018

Eleonore Moser