Leidenschaft pur

 

Otello von Giuseppe Verdi

Vorstellung vom 12. März 2018

an der Wiener Staatsoper

 

 

Otello beruht auf Shakespears Lehrstück über Naivität, Nicht-Sensibilität und Intriganz.

Otello ist naiv, Desdemona ist naiv und zugleich unsensibel, denn längst hätte sie fühlen müssen, dass Eifersucht gegen Cassio das Wesen Otellos veränderte. Jago hat den Sinn für das Reale, er durchschaut alle und ist zuletzt selbst Opfer.  Sämtliche Leidenschaften der menschlichen Natur sind hier auf der Bühne zu finden.

 

Was Leidenschaft bedeutet, zelebriert Roberto Alagna als Otello höchst eindrucksvoll auf der Opernbühne. Trotz der wenig inspirierenden Inszenierung von Christine Mielitz ist Alagna ein ganz aus sich herausgehender, keine Risken scheuender Otello. Seine Tenorstimme hat sich verändert und an Volumen zugelegt, ist damit heldischer geworden, was auf Kosten des Pianos geht. Aber als Otello ist nun einmal vor allem Expressivität gefragt und die hat Alagna zu bieten. Die Spitzentöne gelingen nicht immer, doch was soll's - gerade das ist das Spannende an einer solchen Oper, die einem Tenor einfach alles abverlangt. Hut ab vor Alagna, der mit dieser Partie den Höhepunkt seines Sängerlebens erreicht hat.

 

Aleksandra Kurzak, seine Ehefrau im Leben und hier auf der Bühne, steht Alagnas Bühnenpräsenz kaum nach. Sie ist eine zarte, wunderschöne, glaubhafte Desdemona mit lyrischem Sopran. Ihr Spiel berührt und sicherlich fiebert sie mit ihrem Gatten jede Sekunde mit, dass seine Stimme diesen enormen Anforderungen standhält. Jedenfalls sind die beiden auf der Bühne ein Traumpaar, wenn auch mit fatalem Ausgang.

 

Als Jago debütiert Dalibor Janis und zeichnet die Figur sehr plakativ als Bösewicht. Insgesamt ist es eine gute Leistung. Antonio Poli als Cassio lässt aufhorchen, denn von diesem Tenor ist vielleicht bald noch mehr zu erwarten.

 

Lag es an der zweiten Garnitur des Staatsopernorchesters, weil die erste Garnitur mit den Wiener Philharmonikern eine Tournee in Südamerika absolvieren, oder doch an dem Dirigenten Graeme Jenkins, dass im 1. Akt soviele verzögerte Orchestereinsätze zu hören waren? Solche Patzer dürften eigentlich nicht passieren.

 

Die Sänger und Sängerinnen ernteten kurzen, kräftigen Beifall mit Bravorufen. Ein toller Abend dank des Paares Alagna-Kurzak.

 

13. März 2018

Eleonore Moser