Tummelplatz der Märchenfiguren

„Die Meistersinger von Nürnberg“
von Richard Wagner

Premiere im Großen Festspielhaus Salzburg
am 2. August 2013

Das hätte man von Stefan Herheim nicht erwartet: Eine relativ konservative Inszenierung mit einem extrem vergrößerten Kirchenschiff samt Orgel, sowie prachtvolle mittelalterlich anmutende Kostüme (Gesine Völlm). So nebenbei ein Puppenhaus mit Spielzeug, was dem ganzen Geschehen eine spielerische Note verleihen sollte. Was die Personenführung betrifft, liegt der Clou vor allem in der Charakterisierung des Sixtus Beckmesser. Dieser wird verkörpert von Markus Werba, einem jungen, außerordentlich sympathischen, fast anmutigen Mann, der so nebenbei auch einen guten Bariton zu bieten hat. Dieser Beckmesser wird also völlig anders geschildert als man ihn gewohnt war. Fast kann man Eva nicht verstehen, wenn sie sich dem Jüngling widersetzt und sich für Stolzing entscheidet.

Im zweiten Akt geht es dann schon deftiger zu. Das Bühnenbild (Heike Scheele) bleibt mit überdimensional projizierten Kästen, Kommoden und dergleichen recht ausladend und nützt die enorme Breite des Festspielhauses. Gegen Ende des 2. wie auch 3. Aktes  wird vom Volk bzw. von den Märchenfiguren aus Brüder Grimms Erzählungen  heftig auf der Bühne kopuliert und somit gibt es doch eine unverwechselbare Handschrift des Regisseurs. Wie Herheim auch sonst immer alles in Bewegung hält. Seine Personenführung ist exzellent und er hat Sänger, die sich ihm als Schauspieler völlig vertrauten und auf seine Weisungen gut eingingen.  Dieser Tummelplatz von Märchenfiguren dient dazu, von der sonst latent vorhandenen Deutschtümelei Abstand zu gewinnen und dem ganzen Geschehen eine heitere Note zu verleihen.

Eine zumeist junge, unverbrauchte Sängerriege spielt und singt mit viel Witz und Elan. Da ist Peter Sonn als fescher David, der eine gute Tenorstimme hat und einen ernstzunehmenden Anwärter für Magdalena (erfreulich Monika Bohinec) gibt.

Anna Gabler als Eva ist schön, wie aus einem Gemälde von Botticelli entsprungen, und hat eine schlanke, gut geführte Sopranstimme. Sie spielt diese Figur bezaubernd.

Als Hans Sachs brilliert Michael Volle sowohl mit seinem dunklen Bariton wie auch in schauspielerischer Hinsicht.

Der Tenor Roberto Saccá gibt einen gut aussehenden, stimmlich einwandfreien Walther von Stolzing. Dass er trotz seinen Bemühungen nicht gänzlich überzeugt, liegt an einer gewissen Distanziertheit gegenüber dem Geschehen.

Das Dirigat obliegt Daniele Gatti, der effektvoll Tempi vorgibt und Wagner sehr opulent, manchmal auch etwas derb klingen lässt.  Sein temperamentvoller Stil ließ ihm an diesem Abend den Taktstock ins Publikum entgleiten und ich, direkt hinter ihm sitzend,  konnte ihm den Taktstock über seinen Rücken zurückreichen. Die Philharmoniker spielen mit enormen Einsatz und Können, wobei  man mit Wonne merkt, wie sehr sie in Wagner geübt sind. Alle geben ihr absolut Bestes, mit Rainer Honeck als Konzertmeister, den Solisten Tamas Varga - Violoncello,  Heinrich Koll - Viola, Walter Auer - Flöte, Ernst Ottensamer - Klarinette, Clemens Horak - Oboe.  

Seltenheitswert hat es heutzutage, wenn die Regie mehr bejubelt wird als die Sänger. In diesem Falle war es so, dass es zwar wenige Buhrufe für Herheim gab, die aber sofort „niedergejubelt“ wurden. Schließlich hatte Herheim den größten Erfolg des Abends, über den er sich sichtbar freute, ebenso wurde Michael Volle enthusiastisch in seiner Rolle des Hans Sachs gefeiert. Für Gatti gab es vereinzelt Buhrufe, danach jedoch auch viel Zustimmung für ihn und die Wiener Philharmoniker.

Ein Abend, der es wert ist, nach Salzburg zu fahren.

3. August 2013
Eleonore Moser