Netrebko alleine ist den Abend wert

 

Manon Lescaut von Giacomo Puccini

Vorstellung an der Wiener Staatsoper vom 29. Oktober 2023

 

Sie ist wieder da als Manon Lescaut und sie ist besser als je zuvor. Atemberaubende Spitzentöne, geschmeidige Mittellage, voluminöse Tiefe sind nur von Anna Netrebko zu hören. Dazu ihr wunderschönes Aussehen, kaum weniger beeindruckend als anno dazumal. Es ist ein Glück, sie hören zu dürfen für jeden, der Schönheit in allen Varianten, eben Stimme, Spiel, Aussehen, zu schätzen weiß. Man kann dabei nicht mehr an die von Putin gepeinigte Ukraine denken, auch wenn man sonst die Leiden der Bevölkerung stets im Sinne hat.

 

Dazu Yusif Eyvazov als Des Grieux: Zunächst erschrecke ich stets über die hässliche Stimme, aber gewöhne mich im Laufe des Abends daran. Er wird danach auch besser, aber leider nicht in der Gesamtheit. Zumindest sein fesches Aussehen - schlank und rank - hat er sich bewahrt. Mehr darf man nicht erwarten.

 

Um Netrebko hören zu können, muss man ihn in Kauf nehmen. Ich habe absolutes Verständnis für jede Operndirektion, die so handelt.

 

Was ich an ihr so sehr schätze: Dass sie eine wirklich liebende Frau ist, nicht nur auf der Bühne. Man spürt dies, dass sie den Mann so sehr liebt und ich mag das in Zeiten des totalen Materialismus. Ich liebe liebende Menschen.

 

Robert Carsens Inszenierung ist so gebaut, dass man nicht hinschauen muss. Er hat die Kärntner Straße quasi auf die Bühne gesetzt und das bleibt den ganzen Abend so. Ein Grund, weshalb ich, wenn nicht gerade Netrebko im Mittelpunkt erscheint, fast nur ins Orchester blicke oder den Text wie immer in Italienisch mitlese.

 

Die Stimmung im Publikum bewegt sich trotz des ausverkauften Hauses mit vollem Stehplatz nur im Rahmen der üblichen Beifallskundgebungen in Repertoirevorstellungen. Das ist ein deutlicher Unterschied zur positiv aufgeheizten Stimmung in der Otello-Vorstellung vor einigen Tagen.

 

Eleonore Moser

30.10.2023