Des Grieux als Prolo-Latino-Macho

"Manon Lescaut" von Giacomo Puccini

Vorstellung vom 2. Dezember 2010 an der Wiener Staatsoper

Hat man sich beim wiederholten Ansehen an die moderne Inszenierung in der Regie von Robert Carsen gewöhnt, ist es zwar fade, auch innerhalb des Opernhauses die Schaufenster von etwa Popp & Kretschmer betrachten zu müssen, aber man kann sich damit trösten, dass es noch schlimmere Möglichkeiten gäbe.

Olga Guryakova ist eine glaubhafte, schöne Manon Lescaut. Sie sieht mancher Russin frappant ähnlich, welche hier in Wien alte Millionäre sogar mit Schloss am Wörthersee finden und die man oft in den Society-Formaten des TV beim Aussuchen ihres wertvollen Geschmeides und teurer Kleider betrachtet. Aber Guryakova selbst ist auf keinen alten Millionär angewiesen, sie kann mit einem tragfähigen lyrisch-dramatischen Sopran aufwarten und wird damit sicherlich eine Weltkarriere erfahren, die ihr hohe Gagen einbringt.

Als ihr Bruder Lescaut gibt Bariton Eijiro Kai eine passable Leistung, ebenso Janusz Monarcha als Geronte de Ravoir.

Erstaunlich, dass Tenor José Cura in den letzten Jahren nicht mehr viel von sich reden machte. Er verschwand fast schon im Schatten des Rolando Villazon, dessen Stern längst wieder im Sinken ist, sowie des Jonas Kaufmann. Dabei hat Cura eine sichere, verlässliche, strahlende Höhe zu bieten. Da gibt es kein Zittern darüber, ob er diese oder jene hohe Stelle nicht bewältigen könnte. Sein Äußeres ist nach wie vor höchst ansehnlich, allerdings ist er der Partie des Des Grieux altersmäßig schon entwachsen. Man glaubt ihm den jungen, sensiblen Studenten in keiner Sekunde, eher verkörpert er in seinem Gehabe und zusätzlich mit der Lederjacke einen Prolo-Latino Macho. Auch ist sein Spiel etwas zu beiläufig, wirkliche tiefe Gefühle nimmt man ihm nicht ab, da helfen auch keine Schluchzer und kein Pathos in der Stimme. Wahrscheinlich liegt es also an der geringen Ausdruckskraft, dass sein Ruhm übertrumpft wurde von dem an ihm zielstrebig vorbeischießenden und nun wieder abschießenden Villazon sowie dem nach wie vor im Hoch befindlichen Jonas Kaufmann.

Als Conductor zeigt Philippe Auguin, wie man Puccini nicht dirigieren sollte. Seine bloß süße, langweilige, schleppende, uninspirierte Auffassung von Puccinis Musik ist eines Dirigenten der Wiener Staatsoper nicht würdig.

Das Publikum gibt sich mit seinem Applaus reserviert, wobei José Cura mit etlichen Bravorufe bedient wird, ebenso Olga Guryakova, jedoch der Dirigent verdientermaßen mit vielen Buhrufen konfrontiert ist.

3. Dezember 2010
Eleonore Moser