James King
Als ich jung war, dachte auch ich, dass ich einem Mann das geben kann, was Männer im Allgemeinen so wünschen: Unterwürfigkeit, Ja-Sagen, Anhimmeln, ihm stets zu sagen, dass er der Größte ist; still sein, wenn ER es wünscht. Ganz so, wie es augenfällig manche Frauen machen. Schließlich hatte ich von Kind auf nichts anderes gelernt, als brav und still zu sein. Als ich dann im Berufsleben immer besser Fuß fasste, merkte ich, dass das Aufschauen auf einen Mann wohl nicht mein Ding ist. Schließlich konnte ich mir bald alle meine Wünsche selbst erfüllen. Wozu brauchte ich also einen Mann, dem ich gefällig sein sollte? Dann traf ich auf James King, der 20 Jahre älter war und hier fiel es mir leicht, ihm fürs Erste das zu geben, was Männer so wünschen. Denn er gerierte sich als richtiger Charmebolzen. Ich war damals 24 und er ein verheirateter Mann. Mein zeitweiliges Leben an seiner Seite verlief aufregend. Mit Selbstverständlichkeit dinierten wir mit Rostropowitsch, mit Oskar Werner oder Madame Rochas. Ich lernte die große Welt kennen. Die Gespräche mit James interessierten mich enorm, denn Themen, die mit Singen und Oper zu tun hatten, fand ich höchst spannend. Jedoch auch schon damals bemerkte ich, dass ich eine eigene Meinung habe und nicht alles, was James mir vorgab, unwidersprochen übernehmen konnte. Ich bat ihn, den Tristan einzustudieren, denn "Tristan und Isolde" war immer schon meine Lieblingsoper. Er sagte, das kostete ihn 10 Jahre seiner Sängerkarriere, daher wollte er darauf verzichten. Als Stolzing gefiel mir Jess Thomas besser als James und Jess Thomas verehrte ich ohnedies, denn er sang den Tristan! Wie schön er mit seiner großen, schlanken Figur und seinen schwarzen Haaren war (James behauptete, J.T. färbte seine Haare, was mich jedoch nicht störte!). James war ein hervorragender (wahrscheinlich der beste) Siegmund, ein großartiger Lohengrin, Parsifal, Kaiser, Bacchus, Florestan. Doch in italienischen oder französischen Partien wollte ich ihn nicht so gerne hören. Seinen Cavaradossi, Otello, Don José schätzte ich nicht besonders. Und hier merkte ich, dass es mir bereits schwerfiel, mit meiner Meinung hinter dem Berg zu halten. 10 Jahre später, als er sich scheiden ließ und mich heiraten wollte, wusste ich es bereits sicher, dass es nicht meine Sache ist, an der Seite eines großen Opernsängers, bescheiden und dankbar zu bleiben. Ich war schon zu eigenwillig geworden für einen berühmten Mann und entschied mich gegen die Ehe mit James. |