Der Zeit entrückt"Heldenplatz" von Thomas BernhardVoraufführung im Theater in der Josefstadt am 8. September 2010Vielleicht ist es sogar ein Mitverdienst von Thomas Bernhard, dass die Nazivergangenheit in Österreich mittlerweile doch ziemlich aufgearbeitet wurde. Liegt hierin der Grund, dass sich 21 Jahre nach der Uraufführung niemand mehr über den Inhalt aufregen kann? Wie wenig es mit der Gegenwart in Einklang ist, zeigt schon die Textpassage..."6,5 Millionen debile Österreicher...". Nun hat Österreich bereits 8,335 Millionen debile Einwohner, obwohl stets die Angst besteht, wir könnten aussterben... Wenn auch so manche Textpassagen der Aktualität nicht entsprechen, so sind doch die philosophischen Weltbetrachtungen von Bernhard von ewiger Gültigkeit. Das Bühnenbild von Etienne Pluss entspräche in seiner Schlichtheit sicherlich dem Geschmack des Dichters, die Inszenierung von Philip Tiedemann gibt sich erfreulicherweise möglichst werkgetreu. Die scharfen Töne des Bruder des Professors haben nicht mehr die Brisanz von dazumal. Michael Degen, an sich ein großartiger deutscher Schauspieler, verfügt nicht über die Wienerischen Zwischentöne, das Raunzen und Nörgeln, daher bleibt er doch außerhalb des Textes. In Deutschland würde es nicht bemerkt werden, aber hier vermisst man es. Sehr glaubhaft agiert Sona MacDonald als Anna, Tochter des Verstorbenen. Elfriede Schüsselseder als Olga hat nicht viel Text, und tritt daher nur mit passender Mimik in Erscheinung. Etwas überdreht wirkt Siegfried Walther als Lukas. Die relativ große Rolle der Frau Zittel bewältigt Marianne Nentwich mit Bravour, das ihr zur Seite gestellte Hausmädchen Herta (Silvia Meisterle) hat mit rhythmischem Schuheputzen einen quasi musikalischen Gag beizutragen. Blass und enttäuschend Gertraud Jesserer als Hedwig, Frau des Verstorbenen. Diese Rolle sollte doch mit einer starken Persönlichkeit, die über viel Ausdruck verfügt, besetzt sein. Die zeitweiligen Lacher aus dem Publikum sind durchaus im Sinne von Thomas Bernhard. Sagte er doch selbst einmal, dass er immer wieder laut auflachen muss, wenn er seine Texte liest. Er würde sich also mit dieser Aufführung durchaus einverstanden geben. 9. September 2010 |