Heldin Brünnhilde

„Götterdämmerung“
von Richard Wagner

Vorstellung vom 22. Mai 2013 an der Wiener Staatsoper

Eine bessere Vorstellung zur Feier seines 200. Geburtstages hätte sich Richard Wagner kaum wünschen können. Hat man sich an das teilweise kitschige, dann wieder dunkel und langweilige Bühnenbild von Rolf Glittenberg (Kostüme Marianne Glittenberg) sowie an die nichtssagende Regie von Sven-Eric Bechtolf gewöhnt, kann man sich der sängerischen Darbietungen genussreich hingeben.

Boaz Daniel stellt darstellerisch zwar den schwachen Charakter des Gunthers eindringlich dar, sein Bariton bleibt dabei jedoch eher unauffällig.  John Tomlinson war in vergangenen Zeiten ein guter Wotan, nun wechselte er zu der Figur des Hagen. Es offenbaren sich leichte Abnützungserscheinungen seines Bassbaritons vor allem in höheren Lagen. Durch sein etwas outriertes Spiel setzt er sich über Schwächen in der Stimme hinweg. Wolfgang Bankl gibt als Alberich ein gutes Rollendebüt. Eine erfreuliche Rollendebütantin ist Elisabeth Kulman als Waltraute, wobei ihr warm anmutender Mezzosopran gut zum Einsatz kommt. Die Nornen Monika Bohinec, Stephanie Houtzeel und Olga Bezsmertna zeichnen sich durch leuchtende Sopranstimmen aus.

Eine passable Gutrune liefert Caroline Wenborne.  Stephan Gould ist der heutzutage gewiss in jeder Hinsicht beste Siegfried, dessen tenorale Stimmkraft und Physis keine Grenzen zu kennen scheint.

Das ersehnte Rollendebüt von Nina Stemme als Brünnhilde schlägt indes die hohen Erwartungen. Diese Frau ist einfach über alle Maßen phänomenal. Ihr strahlender Sopran, welcher in hohen Lagen sich so richtig entfaltet, aber auch die immer wohlklingende Mittellage scheinen fast wie ein Wunder an dieser eher schmalen und zierlichen Frau zu sein. Dazu ihr wohltuend einfaches Spiel tragen dazu bei, in ihr eine wahrhafte Heldin zu sehen. 

Franz Welser-Möst dirigiert den Abend so eindrucksvoll, dass er an die Größen der Vergangenheit erinnert. Das Gefühl für die jeweils richtigen Tempi sowie die Schlichtheit, Klarheit und Ästhetik seiner Bewegungen stimulieren das Orchester zur Hochleistung. Erst zu Beginn des 3. Aktes zeigen sich im Orchester leichte Ermüdungserscheinungen. Die Hornisten, die bis dahin völlig makellos spielen, verüben einen etwas verwackelten Einsatz, bald darauf erfolgt ein Kiekser des Trompeters Gotthard Eder, welchen das Publikum sogleich mit merkbarer Unruhe quittiert. Ein solcher Vorfall macht jedoch den Drahtseilakt bewusst, den an einem solchen Abend jeder Musiker, vor allem Bläser, vollführen muss. Hier sind Menschen am Werk, die 5 ½ Stunden konzentriert Höchstleistungen erbringen und jeder einzelne von ihnen trägt enorme Verantwortung.  Man muss diesen Musikern in jedem Falle große Bewunderung zollen. Der Verantwortung stellen sich vor allem auch Ernst Ottensamer (1. Klarinette) und Martin Gabriel (1. Oboe) in gewohnt souveräner Manier.

Nach Ende der Vorstellungen tritt Nina Stemme vor den Vorhang und ein unendlich gewaltiger Orkan an Beifall schlägt ihr entgegen. Sie zeigt sich emotional überwältigt von dieser Sympathiekundgebung. Auch die anderen Sänger sowie Welser-Möst und das Orchester werden stürmisch gefeiert.

Ein Abend, an dem man denkt, es ist schade, dass er vorbei ist. So etwas wird man nicht ohne weiteres erneut erleben können.

23. Mai 2013
Eleonore Moser