Unterricht in Gebärdensprache„Fidelio“Premiere im Großen Festspielhaus Salzburg am 4. August 2015Es wäre die Idee eines szenisch puristisch angelegten „Fidelio“ nicht abwegig, auch fehlende Rezitative stören nicht, wenn dafür alternative Ideen geboten würden. Doch mangelt es an diesen gewaltig. Statt der Rezitative werden unangebrachte Geräusche eingeschoben, die dem Fluss des Geschehens widersprechen. Vor allem aber die Doppelgängerin von Leonore sowie die unzähligen Doppelgänger des Pizarro sind störend. Das Gefuchtel der Gebärdensprache von Leonores alter ego im Vordergrund der Bühne stellt geradezu eine Zumutung für das Publikum dar. Regisseur Claus Guth kommt in seinen Inszenierungen nicht zurande, ohne eine Menge Leute auf die Bühne zu stellen, die nicht dorthin gehören und die vom wahren Geschehen ablenken. Beethoven würde sich im Grabe umdrehen, sähe er dies.Es ist so schade,
was aus dieser Oper gemacht wurde, denn die Traumbesetzung mit Jonas Kaufmann als Florestan
hätte Besseres verdient. Auf Anweisung der Regie muss Kaufmann outrierend zittern und zappeln. Dass er trotzdem stimmlich
der wohl denkbar beste Florestan aller Zeiten ist,
grenzt an ein Wunder. Ein solches „Gott, welch Dunkel hier….“ hat man
eindrucksvoller noch nie gehört. Spätestens damit hat Kaufmann bewiesen, dass
er nicht auf sein sexy Aussehen zu reduzieren ist. Vor allem im deutschen Fach
ist er weltweit der Beste, und das auf lange Zeit davor gerechnet. Adrianne Pieczonka muss als Leonore weitgehend statisch bleiben, was
ihrer Stimme dennoch nicht zugute kommt. Ihr Sopran gibt immer wieder
erstaunlich volle, runde Höhen von sich, doch bleibt ihre Leistung nicht
homogen, weil ihre Stimmführung Unsicherheiten zeigt. Als Pizarro fügt
sich der unverwechselbar dämonische Bariton von Tomasz Konieczny besonders gut ein,
auch Sebastian Holecek als Don Fernando und Hans-Peter König als Rocco sowie Olga Bezsmertna
als Marzelline und Franz Ernst als Jacquino ergeben ein gutes Team. Ein großartig singender
Chor, der sich im Auftrag des Regisseurs im großen Finalgesang hinter der Kulisse
von Hofburgräumlichkeit verstecken
muss. Der Klang und die
Rhythmik des Orchesters rufen Begeisterungsstürme des Publikums hervor. Franz Welser-Möst
sehe ich nach diesem exzellenten Dirigat als legitimen
Nachfolger von Karl Böhm und Herbert von Karajan. Dementsprechend ist am Ende
der Vorstellung die Resonanz des Publikums erkennbar: Die Helden des Abends
sind Jonas Kaufmann, Franz Welser-Möst und das
Orchester. Ansonsten gibt es ein völlig berechtigtes großes Buh-Konzert für das
Regieteam. Das Salzburger Publikum lässt sich nicht alles widerspruchslos vorsetzen. Eleonore Moser |