Spiel mit Kontrasten Don Carlos von Giuseppe Verdi, in der französischen Originalfassung Premiere vom 18. Oktober 2004 in der Wiener Staatsoper Einen Tumult höchstes Ausmaßes verursachte die Wiener Staatsoper mit der Inszenierung der französischen Originalfassung von "Don Carlos" durch Peter Konwitschny. Dabei begann es ganz harmlos. Die Kostüme wurden der Zeit des spanischen Hofes in traditioneller Weise nachempfunden und die Personen auf der Bühne agierten glaubhaft leidenschaftlich. Das weiß getünchte Einheitsbühnenbild mit zahlreichen Türen gefiel in seiner Klarheit und Einfachheit und beweist, dass Weniger oft Mehr bedeutet. Doch als die Ballettmusik durch optische Einlage eines Traums der Eboli untermauert wurde, begann die Polarisierung des Publikums. Das Bühnenbild wurde nun zu einer kleinbürgerlichen Milieubeschreibung der 60-er Jahre und kontrastierte allzu sehr mit dem davor Gesehenen. Eboli sieht sich als treu dienende Ehefrau des Carlos, Elisabeth kommt mit Gatten Philipp auf Besuch und die vier Protagonisten tanzen zuweilen Ballettschritte. Nicht unbegründet fragt sich der Beschauer, was das Ganze eigentlich soll. Doch eben diese Frage könnte man genauso gut stellen, wenn die an sich hörenswerte Musik durch irgendeine konventionelle Balletteinlage begleitet werden würde. Die Szene des Autodafés, in welche das Publikum integriert wurde, löste ebenfalls heftige Reaktionen aus. Bestenfalls kann man dazu sagen - langweilig wird es nicht. Das ist aber auch nötig, denn das Sitzfleisch des Publikums wird im 1. Akt, der 2 Stunden und 20 Minuten dauert, doch deutlich überstrapaziert. Von den Sängern wären vor allem die Damen nicht nur aufgrund ihres optisch wohltuenden Gesamteindruckes hervorzuheben. Speziell Iano Tamar als Elisabeth erweist sich einer Premiere würdig, denn ihr Sopran hat Strahlkraft und ihre Mittellage ist rund und weich. Nadja Michael als Eboli klingt schrill in der Höhe, doch ihr Mezzosopran ist in der Mittellage ein Hörvergnügen. Bo Skovhus als Posa überzeugt in Gestaltung der Rolle; sein Bariton ist voller und runder geworden. Als Carlos hat Ramón Vargas zwar eine flexible Tenorstimme, diese klingt jedoch in der Höhe etwas schmalspurig. Ähnlich bei Alastair Miles als Philipp, dem jegliches dramatische Forte fehlt. Simon Yang ist ein durchaus akzeptabler Inquisiteur. Am Pult gibt Bertrand de Billy Temporeichtum vor und bemüht sich somit, seinen Fehler, die Oper in der 5-stündigen Erstfassung zu präsentieren, wieder gut zu machen. Am Schluss der Vorstellung sind manche enthusiastische Bravorufe, doch in der Mehrzahl heftigste Buhrufe des Publikums, diesmal nicht nur für Regieteam, sondern auch für manche Sänger und den Dirigenten, zu vernehmen. Ein Zeichen dafür, dass die Oper lebt! 19. Oktober 2004 Eleonore Moser
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