Eine erotische Frau ohne Spannung

„Am Ziel“ von Thomas Bernhard

Premiere am Theater in der Josefstadt vom 12. März 2015

Das zeitlose Stück von Thomas Bernhard, welches eindringlich die inzestuös-symbiotische Beziehung zwischen einer Mutter und deren Tochter schildert, wird  hauptsächlich durch den steten Monolog der Mutter getragen. Das ist für eine Schauspielerin eine große Herausforderung, der Andrea Jonasson nur mit Einschränkung gewachsen ist. Sie verkörpert diese Figur allzu plakativ, was zum Teil das Manko des Regisseurs ist, zum Teil das Defizit in der Rollenbesetzung insgesamt bedeutet. Frau Jonasson ist eine ältere, sehr attraktive Person mit erotischer Stimme, doch in der Beziehung zu dem jungen Schriftsteller kommt keine wirkliche Spannung auf.

Eine Fehlbesetzung ist Therese Lohner als Tochter, denn diese, alles andere als attraktive, beinahe 50-jährige, bietet zu wenig  Gegenpart zu der dominanten Mutter. Der Kontrast zwischen den beiden ist zu stark gezeichnet. Warum sollte sich eine solch ältliche Frau wie die Tochter nicht schon längst mit der Mutter-Zweisamkeit abgefunden haben?  Dazu der „junge dreißigjährige“ Schriftsteller (Christian Nickel), der wohl auch schon die Mitte Vierzig längst überschritten hat. Keine Sekunde hat man in der Aufführung den Eindruck, dass ihn eine der beiden Frauen interessieren könnte, was absolut nicht verwundert.

Die Inszenierung von Cesare Lievi bietet zu wenig subtile Zwischentöne sowie kaum ein Knistern in der Atmosphäre zwischen den drei Protagonisten. Am ehesten ist noch ein wenig Erotik durch das Auftauchen des Dienstmädchens (Martina Ebm) gegeben.

Das Bühnenbild (Maurizio Baló) ist von ästhetischer Schönheit in Weiß gehalten, was wohl die Kühle der Hauptakteurin widerspiegeln soll. Die Kostüme lieferte Birgit Hutter.

Das Publikum beklatscht die Premiere kurz und heftig, geht aber rasch ab.

Eleonore Moser
14.3.2015